Der Nordatlantikvertrag

Die Vertragsparteien bekräftigen ihren Glauben an die Ziele und Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen und ihren Wunsch, mit allen Völkern und allen Regierungen in Frieden zu leben.
Sie sind entschlossen, die Freiheit, das gemeinsame Erbe und die Zivilisation ihrer Völker zu schützen, die auf den Grundsätzen der Demokratie, der individuellen Freiheit und der Rechtsstaatlichkeit beruhen. Sie streben danach, Stabilität und Wohlergehen im nordatlantischen Raum zu fördern.
Sie sind entschlossen, ihre Anstrengungen zur kollektiven Verteidigung und zur Wahrung des Friedens und der Sicherheit zu vereinen. Sie vereinbaren daher diesen Nordatlantikvertrag:

Artikel 1

Die Vertragsparteien verpflichten sich, in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen jede internationale Streitigkeit, in die sie verwickelt sind, mit friedlichen Mitteln so beizulegen, daß der Weltfrieden, die internationale Sicherheit und die Gerechtigkeit nicht gefährdet werden, und in ihren internationalen Beziehungen von der Androhung oder Anwendung von Gewalt in jeder Weise abzusehen, die mit den Zielen der Vereinten Nationen nicht vereinbar ist.

Artikel 2

Die Vertragsparteien werden zur weiteren Entwicklung friedlicher und freundschaftlicher internationaler Beziehungen beitragen, indem sie ihre freien Institutionen stärken, ein besseres Verständnis für die Grundsätze herbeiführen, auf denen diese Institutionen beruhen, und Bedingungen der Stabilität und des Wohlergehens fördern. Sie werden bestrebt sein, Konflikte in ihrer internationalen Wirtschaftspolitik zu beseitigen, und werden die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen einzelnen oder allen von ihnen fördern.

Artikel 3

Um die Ziele dieses Vertrags wirksamer zu erreichen, werden die Vertragsparteien einzeln und gemeinsam durch ständige und wirksame Selbsthilfe und gegenseitige Hilfe ihre individuelle und kollektive Fähigkeit, bewaffneten Angriffen zu widerstehen, aufrechterhalten und weiterentwickeln.

Artikel 4

Die Vertragsparteien konsultieren einander, wann immer nach Ansicht einer von ihnen die territoriale Unversehrtheit, die politische Unabhängigkeit oder die Sicherheit einer der Vertragsparteien bedroht ist.

Artikel 5

Die Vertragsparteien sind sich darüber einig, daß ein bewaffneter Angriff gegen eine oder mehrere von ihnen in Europa oder Nordamerika als ein Angriff gegen sie alle angesehen wird, und sie vereinbaren daher, daß im Falle eines solchen bewaffneten Angriffs jede von ihnen in Ausübung des in Artikel 51 der Charta der Vereinten Nationen anerkannten Rechts auf individuelle oder kollektive Selbstverteidigung die angegriffene(n) Vertragspartei(en) unterstützen wird (werden), indem er (sie) einzeln und in Abstimmung mit den anderen Vertragsparteien unverzüglich die Maßnahmen ergreift (ergreifen), die er (sie) für notwendig erachtet, einschließlich der Anwendung bewaffneter Gewalt, um die Sicherheit des nordatlantischen Raumes wiederherzustellen und aufrechtzuerhalten.

Jeder derartige bewaffnete Angriff und alle infolgedessen getroffenen Maßnahmen sind dem Sicherheitsrat unverzüglich zu melden. Diese Maßnahmen sind zu beenden, wenn der Sicherheitsrat die zur Wiederherstellung und Aufrechterhaltung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit erforderlichen Maßnahmen getroffen hat.

Artikel 6 1

Für die Zwecke des Artikels 5 gilt ein bewaffneter Angriff auf eine oder mehrere der Vertragsparteien als ein bewaffneter Angriff:

  • auf das Hoheitsgebiet einer der Vertragsparteien in Europa oder Nordamerika, auf die algerischen Departements von Frankreich 2, auf das Hoheitsgebiet der Türkei oder auf die der Hoheitsgewalt einer der Vertragsparteien unterstehenden Inseln im nordatlantischen Gebiet nördlich des Wendekreises des Krebses;
  • auf die Streitkräfte, Schiffe oder Flugzeuge einer der Vertragsparteien, wenn sie sich in oder über diesen Gebieten oder einem anderen Gebiet in Europa befinden, in dem zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Vertrags Besatzungstruppen einer der Vertragsparteien stationiert waren, oder im Mittelmeer oder im nordatlantischen Gebiet nördlich des Wendekreises des Krebses.

Artikel 7

Dieser Vertrag berührt in keiner Weise die Rechte und Pflichten der Vertragsparteien, die Mitglieder der Vereinten Nationen sind, aus der Charta oder die Hauptverantwortung des Sicherheitsrats für die Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit und ist auch nicht so auszulegen, als berühre er sie.

Artikel 8

Jede Vertragspartei erklärt, daß keine der gegenwärtig zwischen ihr und einer anderen Vertragspartei oder einem Drittstaat bestehenden internationalen Verpflichtungen im Widerspruch zu den Bestimmungen dieses Vertrags steht, und verpflichtet sich, keine internationale Verpflichtung einzugehen, die im Widerspruch zu diesem Vertrag steht.

Artikel 9

Die Vertragsparteien setzen hiermit einen Rat ein, in dem jede von ihnen vertreten ist, um Fragen der Durchführung dieses Vertrags zu prüfen. Der Rat ist so zu organisieren, daß er jederzeit unverzüglich zusammentreten kann. Der Rat setzt die erforderlichen Hilfsorgane ein; insbesondere setzt er unverzüglich einen Verteidigungsausschuß ein, der Maßnahmen zur Durchführung der Artikel 3 und 5 empfiehlt.

Artikel 10

Die Vertragsparteien können durch einstimmige Vereinbarung jeden anderen europäischen Staat, der in der Lage ist, die Grundsätze dieses Vertrags zu fördern und zur Sicherheit des nordatlantischen Raums beizutragen, einladen, diesem Vertrag beizutreten. Jeder so eingeladene Staat kann durch Hinterlegung seiner Beitrittsurkunde bei der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika Vertragspartei werden. Die Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika wird jede Vertragspartei von der Hinterlegung jeder dieser Beitrittsurkunden unterrichten.

Artikel 11

Dieser Vertrag bedarf der Ratifikation und seiner Durchführung durch die Vertragsparteien in Übereinstimmung mit ihren jeweiligen verfassungsrechtlichen Verfahren. Die Ratifikationsurkunden werden so bald wie möglich bei der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika hinterlegt, die alle anderen Unterzeichner von jeder Hinterlegung unterrichtet. (2)

Der Vertrag tritt zwischen den Staaten, die ihn ratifiziert haben, in Kraft, sobald die Ratifikationen der Mehrheit der Unterzeichner, einschließlich der Ratifikationen Belgiens, Kanadas, Frankreichs, Luxemburgs, der Niederlande, des Vereinigten Königreichs und der Vereinigten Staaten, hinterlegt worden sind, und wird für die anderen Staaten am Tag der Hinterlegung ihrer Ratifikationen wirksam. (3)

Artikel 12

Nachdem der Vertrag zehn Jahre lang oder zu jedem späteren Zeitpunkt in Kraft gewesen ist, konsultieren die Vertragsparteien auf Ersuchen einer von ihnen gemeinsam, um den Vertrag unter Berücksichtigung der dann den Frieden und die Sicherheit im nordatlantischen Raum beeinflussenden Faktoren, einschließlich der Entwicklung universeller sowie regionaler Vereinbarungen nach der Charta der Vereinten Nationen zur Wahrung des Weltfriedens und der internationalen Sicherheit, zu überprüfen.

Artikel 13

Nachdem der Vertrag zwanzig Jahre lang in Kraft gewesen ist, kann jede Vertragspartei ein Jahr, nachdem ihre Kündigung der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika zugegangen ist, aufhören, Vertragspartei zu sein; diese unterrichtet die Regierungen der anderen Vertragsparteien von der Hinterlegung jeder Kündigungserklärung.

Artikel 14

Dieser Vertrag, dessen englischer und französischer Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, wird im Archiv der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika hinterlegt. Ordnungsgemäß beglaubigte Abschriften werden von dieser Regierung den Regierungen der anderen Unterzeichnerstaaten übermittelt.

  1. Die Definition der Gebiete, auf die Artikel 5 Anwendung findet, wurde durch Artikel 2 des am 22. Oktober 1951 unterzeichneten Protokolls zum Nordatlantikvertrag über den Beitritt Griechenlands und der Türkei geändert.
  2. Am 16. Januar 1963 stellte der Nordatlantikrat fest, dass, soweit die ehemaligen algerischen Departements Frankreichs betroffen sind, die entsprechenden Klauseln dieses Vertrages ab dem 3. Juli 1962 unanwendbar geworden sind.
  3. Der Vertrag trat am 24. August 1949 in Kraft, nachdem die Ratifikationen aller Unterzeichnerstaaten hinterlegt worden waren.

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