Die ischämische Optikusneuropathie ist eine der Hauptursachen für Erblindung oder schwerwiegende Sehbehinderung, dennoch herrscht Uneinigkeit über ihre Pathogenese, klinische Merkmale und vor allem ihre Behandlung. Das liegt daran, dass es sich bei der ischämischen Optikusneuropathie nicht um eine einzige Krankheit handelt, sondern um ein Spektrum verschiedener Typen, von denen jeder seine eigene Ätiologie, Pathogenese, klinische Merkmale und Behandlung hat. Sie können nicht in einen Topf geworfen werden. Bei der ischämischen Optikusneuropathie gibt es hauptsächlich zwei Typen: die anteriore (AION) und die posteriore (PION), die jeweils den Sehnervenkopf (ONH) und den Rest des Sehnervs betreffen. Darüber hinaus haben sowohl AION als auch PION verschiedene Subtypen. AION umfasst arterielle (A-AION – aufgrund von Riesenzellarteriitis) und nicht-arterielle (NA-AION – aufgrund anderer Ursachen als Riesenzellarteriitis); NA-AION kann weiter in klassische NA-AION und beginnende NA-AION unterteilt werden. PION besteht aus arterieller (A-PION – aufgrund von Riesenzellarteriitis), nicht-arterieller (NA-PION – aufgrund von anderen Ursachen als Riesenzellarteriitis) und chirurgischer (eine Komplikation verschiedener systemischer chirurgischer Eingriffe). Somit besteht die ischämische Optikusneuropathie aus sechs verschiedenen Typen von klinischen Entitäten. Die NA-AION ist bei weitem der häufigste Typ und eine der häufigsten und visuell lähmenden Erkrankungen bei Menschen mittleren und höheren Alters. A-AION ist zwar weniger häufig, stellt aber einen okulären Notfall dar und erfordert eine frühzeitige Diagnose und sofortige Behandlung mit systemischen, hochdosierten Kortikosteroiden, um einen weiteren Sehverlust zu verhindern, der durchaus vermeidbar ist. Es besteht eine Kontroverse über die Pathogenese, die klinischen Merkmale und vor allem das Management der verschiedenen Arten der ischämischen Optikusneuropathie, da es zahlreiche Missverständnisse über ihre vielen grundlegenden Aspekte gibt. Kürzlich aufgetauchte Informationen über die verschiedenen Faktoren, die die Durchblutung des Sehnervs beeinflussen, sowie über die verschiedenen systemischen und lokalen Risikofaktoren, die bei der Entwicklung der verschiedenen Arten der ischämischen Optikusneuropathie eine wichtige Rolle spielen, haben uns ein besseres Verständnis ihrer Pathogenese, klinischen Merkmale und ihres Managements ermöglicht. Dieses Wissen sollte uns nicht nur dabei helfen, sie besser zu behandeln, sondern auch ihre Inzidenz zu reduzieren. Klinisch sind zum Beispiel die Hinweise, dass etwa 40 % der NA-AION-Augen eine spontane Verbesserung der Sehschärfe erfahren und dass eine systemische Steroidtherapie in frühen Stadien sowohl bei NA-AION als auch bei NA-PION einen signifikanten positiven Effekt auf das visuelle Ergebnis hat, ermutigende Entwicklungen. In dieser Übersichtsarbeit werden die aktuellen Konzepte zu verschiedenen Fragestellungen im Zusammenhang mit den unterschiedlichen Formen der ischämischen Optikusneuropathie diskutiert.